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Exhibitions 18.09.2015 – 17.10.2015

Fenster zur Gegenwart - Werke aus der Sammlung

Kunstmuseum Bern @ PROGR Lena Maria Thüring

Die Videoarbeiten von Lena Maria Thüring sind intensive Auseinandersetzungen mit soziokulturellen und soziopolitischen Themen unserer Zeit. Ausgangspunkt sind ausgedehnte Gespräche und Interviews mit Menschen, die das Interesse der Künstlerin wecken. Die mündlich überlieferten biographischen Erzählungen thematisieren beispielsweise Familiengeschichten oder das Aufwachsen in Krisengegenden, werden von der Künstlerin jedoch schriftlich verdichtet und neu formuliert. Aus Transkriptionen entstehen so Skripte, die anschliessend meistens von SchauspielerInnen vor der Kamera aufgeführt werden. So findet in mehrfacher Hinsicht ein Übersetzungsprozess statt, mit Hilfe dessen die Erinnerungen an ein individuelles Schicksal gelöst und stattdessen in seiner systemischen Struktur beleuchtet werden.

Das Video «Strings» (2011), welches als Ankauf der Bernischen Stiftung für Foto, Film und Video Eingang in die Sammlung des Kunstmuseum Bern fand, ist Teil einer losen Trilogie, welche sich Jugendlichen, Mittellosen und in der Diaspora Lebenden zuwendet. Neu an diesem Vorhaben war, dass die Betroffenen ihre Geschichten selbst schildern. In «Strings» fokussiert eine statische Kamera die Hände eines jungen Mannes, der anhand seiner Narben von den Unfällen und Kämpfen berichtet, die er als Jugendlicher durchlebt hat. Nach und nach wird deutlich, dass der junge Mann Palästinenser ist und seine Erlebnisse aus der Jugendzeit weitaus politischer und folgenreicher sind, als wir  es uns vorstellen können. Dass die Hände in der Hälfte des Films damit beginnen, ein Stück Stoff zu besticken, ist ein ebenfalls unerwartetes und überaus komplementäres Bild zum eben Gehörten. Das heimelige und sorgfältige Sticken steht in krassem Gegensatz zur alltäglichen Gewalt des Strassenkampfes. Dieser bewusst gesuchte Widerspruch offenbart jedoch auch, dass der junge Künstler im Sticken einen persönlichen Ort der Verarbeitung gefunden hat, und deshalb seine Erzählungen ruhiger, nachdenklicher und reflektierter werden.

Lena Maria Thüring, geboren 1981 in Basel, lebt und arbeitet in Zürich.

Kunstmuseum Bern @ PROGR